Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist gem. §§ 44, 309 Abs. 2, 473 Abs. 7 StPO sowohl im OWi-Verfahren und auch im Strafverfahren häufig möglich und geboten, wenn es dem Betroffenen oder Angeklagten nicht möglich war, an einer Hauptverhandlung teilzunehmen oder eine Frist versäumt wurde.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand – Fristen:
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nach § 45 StPO im OWi-Verfahren oder im Strafverfahren binnen 1 Woche und bspw. im Zivilverfahren nach § 234 ZPO binnen 2 Wochen einzulegen. Die näheren Voraussetzungen der Wiedereinsetzung sind mit einem Anwalt zu besprechen.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand – Hauptgründe:
Die Wiedereinsetzung wird nur gewährt, wenn die Person, um die es geht, unverschuldet daran gehindert war, den Termin oder eine Frist einzuhalten. Anerkannte Gründe für eine Wiedereinsetzung sind bspw. die Verhandlungsunfähigkeit des Betroffenen (Arbeitsunfähigkeit ist dabei nicht ausreichend), Abwesenheit wegen Urlaubs oder Nichterreichen der Zustellung wegen sonstiger nachgewiesener Abwesenheit aber auch eine falsche Rechtsmittelbelehrung oder der Fehler eines Beraters oder ein Büroversehen. Es ist daher wichtig, schnellstmöglich einen Fachanwalt aufzusuchen, der mit dieser Problematik der Wiedereinsetzung vertraut ist.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand – Besonderheit des hiesigen Falles:
Im nachstehenden Fall war der Betroffene faktisch mit einem Fahrverbot bedroht. Sein Vater lag im Koma und die Ärzte hatten eine schlechte Überlebensprognose erstellt. Da der Vater aber bereits 3 Wochen im Koma lag und er im Krankenhaus ärztlich bestmöglich versorgt ist, hatte das Amtsgericht kein Verständnis für die emotionale und psychische Belastung des Betroffenen, der im Falle des Todes, der natürlich weder nach Zeit und Ort feststand aber gleichwohl nicht unwahrscheinlich war, bei seinem Vater sein wollte und eine Reise von Dortmund nach Peine über mehrere hundert Kilometer nicht antreten wollte und konnte. Da das Gericht die Argumentation nicht ausreichend sein ließ, brachte der Betroffene noch ein ärztliches Attest bei, das seine Verhandlungsunfähigkeit aufgrund von psychischer Belastung dokumentierte. Die Besonderheit des Falles liegt nun darin, dass die Vorlage des Attestes erst im Beschwerdeverfahren in der 2. Instanz erfolgte und dies für die Wiedereinsetzung ausreichend war.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand – Entscheidung des LG Hildesheim:
Beglaubigte Abschrift
Landgericht Hildesheim
26 Qs 20/15
2 OWi 44 Js 20028/14 Amtsgericht Peine
Beschluss
In der Bußgeldsache
gegen: …,
geboren am … in Dortmund, wohnhaft in … Dortmund, …,
-Verteidiger Rechtsanwalt Sven Reissenberger, Dortmund-
hat die Strafkammer 16 ‐ als 2. Kammer für Bußgeldsachen ‐ des Landgerichts Hildesheim auf die sofortige Beschwerde des Betroffenen vom 26.02.2015, bei Gericht eingegangen am 27.02.2015, gegen den Beschluss des Amtsgerichts Peine vom 05.02.2015 (2 OWi 44 Js 20028/14), dem Betroffenen zugestellt am 24.02.2015, unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin am Landgericht …, des Richter am Landgericht … und des Richters … am 19.03.2015 beschlossen:
- Der angefochtene Beschluss des Amtsgerichts Peine vom 05.02.2015 (2 OWi 44 Js 20028/14) wird aufgehoben.
- Dem Betroffenen wird auf seinen Antrag und auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Peine am 08.01.2015 (2 OWi 44 Js 20028/14) gewährt.
- Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Betroffenen insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Landeskasse zur Last.
I.
Gründe:
Mit Urteil vom 08.01.2015 (2 OWi 44 Js 20028/14) hat das Amtsgericht Peine den Einspruch des Betroffenen gegen den gegen ihn ergangenen Bußgeldbescheid des Landkreises Peine vom 08.04.2014 gem. § 74 Abs. 2 OWiG verworfen. Der zu dem auf den 08.01.2015 um 13.30 Uhr Hauptverhandlungstermin, zu dem er ordnungsgemäß geladen worden war, ebenso Betroffene war bestimmten wie sein Verteidiger nicht erschienen. Der Verteidiger hatte zuvor mitgeteilt, dass der Vater des Betroffenen sich seit dem 25.12.2014 in stationärer Behandlung im Krankenhaus befinde und im Koma liege. Das Gericht hat in den Urteilsgründen ausgeführt, dass die Ausführungen zum Gesundheitszustand des Vaters das Fernbleiben nicht entschuldigen würden, weil die medizinische Versorgung durch das Krankenhaus erfolge und die Befürchtung eines baldigen Ablebens nicht vorgetragen sei. Zum eigenen Gesundheitszustand und einer etwaigen Verhandlungsunfähigkeit sei nichts vorgetragen. Nachdem ihm das Verwerfungsurteil am 15.01.2015 zugestellt worden war, trug der Verteidiger mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 16.01.2015, eingegangen bei Gericht per Fax am 19.01.2015, vor, dass der Betroffene aus persönlichen und gesundheitlichen Gründen daran gehindert gewesen sei, den Hauptverhandlungstermin wahrzunehmen, da das Ableben des fast 86 Jahre alten Vaters nicht unwahrscheinlich und ein Festhalten des Gerichts am Hauptverhandlungstermin daher unverhältnismäßig gewesen sei. Ein ärztliches Attest würde nachgereicht. Diesen Antrag hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 05.02.2015 als unbegründet verworfen, weil allein die Erkrankung des Vaters nicht ausreiche, den Termin nicht wahrzunehmen. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit der sofortigen Beschwerde. Mit Schreiben vom 22.01.2015 an das Amtsgericht Peine, dort eingegangen per Fax am gleichen Tag, übersandte der Verteidiger ein Attest des Arztes …, wonach es dem Betroffenen aufgrund gesundheitlicher Probleme nicht möglich gewesen sei, am 08.01.2015 an der Gerichtsverhandlung teilzunehmen. Das Attest lag der Abteilungsrichterin zum Zeitpunkt der Entscheidung am 05.02.2015 noch nicht vor.
II.
Das Rechtsmittel ist zulässig und führt letztlich in der Sache zum Erfolg.
Zwar hat das Amtsgericht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Hauptverhandlung zunächst zu Recht versagt, weil kein entsprechendes Attest für eine Verhandlungsunfähigkeit des Betroffenen selbst vorlag, jedoch kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen zur Begründung des Antrages noch im Beschwerderechtszug nachgeholt werden (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 56. Auflage. § 45 Rdnr. 7 m.w.N.). Nachdem nunmehr vor der Entscheidung der Kammer ein ärztliches Attest für den Betroffenen vorliegt, aus dem sich ergibt, dass aufgrund gesundheitlicher Probleme eine Teilnahme an der Hauptverhandlung am 08.01.2015 nicht möglich war, ist damit die vom Verteidiger mit dem Wiedereinsetzungsantrag vorgebrachte Reise- und Verhandlungsunfähigkeit aufgrund der emotionalen und gesundheitlichen Probleme im Zusammenspiel mit dem Gesundheitszustand des Vaters noch ausreichend glaubhaft gemacht worden. Insofern ist die Entscheidungsgrundlage des Amtsgerichts Peine verändert worden und eine Verhandlungsunfähigkeit des Betroffenen glaubhaft gemacht. Eine Frist zur Nachholung der Glaubhaftmachung war nicht gesetzt.
Zwar hat das Amtsgericht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Hauptverhandlung zunächst zu Recht versagt, weil kein entsprechendes Attest für eine Verhandlungsunfähigkeit des Betroffenen selbst vorlag, jedoch kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen zur Begründung des Antrages noch im Beschwerderechtszug nachgeholt werden (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 56. Auflage. § 45 Rdnr. 7 m.w.N.). Nachdem nunmehr vor der Entscheidung der Kammer ein ärztliches Attest für den Betroffenen vorliegt, aus dem sich ergibt, dass aufgrund gesundheitlicher Probleme eine Teilnahme an der Hauptverhandlung am 08.01.2015 nicht möglich war, ist damit die vom Verteidiger mit dem Wiedereinsetzungsantrag vorgebrachte Reise- und Verhandlungsunfähigkeit aufgrund der emotionalen und gesundheitlichen Probleme im Zusammenspiel mit dem Gesundheitszustand des Vaters noch ausreichend glaubhaft gemacht worden. Insofern ist die Entscheidungsgrundlage des Amtsgerichts Peine verändert worden und eine Verhandlungsuntähigkeit des Betroffenen glaubhaft gemacht. Eine Frist zur Nachholung der Glaubhaftmachung war nicht gesetzt.
Die Entscheidung über die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Peine am 08.01.2015 beruht auf §§ 44, 309 Abs. 2, 473 Abs. 7 StPO. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf §§ 46 Abs. 1 OWiG, 467 Abs. 1 StPO analog. Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 310 Abs. 2 StPO).
…
Beglaubigt
Hildesheim, den 25.03.2015
…. als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle