Unterlassen einer Beleidigung mit dem Wort „Arschloch“
Das Unterlassen bzw. die Unterlassung einer Beleidigung mit dem Wort „Arschloch“ kann gerichtlich erzwungen werden, jedoch keine Schmerzensgeldzahlung wegen dieser Beleidigung.
Unterlassen und sog. „Unterlassungsanspruch“
Der Anspruch auf Unterlassen ist im Gesetz nicht direkt geregelt. Gleichwohl ist man nicht schutzlos, sondern kann ein Unterlassen erstreitet. Das Unterlassen kann sich auf Beleidigungen oder aber sonstige Verhaltensweisen beziehen. Im Falle einer Beleidigung durch einen Nachbarn ist das Unterlassen erst außergerichtlich und regelmäßig vor einer Schiedsstelle geltend zu machen, bevor man sich mit seinem Wunsch auf Unterlassen an das Gericht wendet. Das Unterlassen kann über einen sog. „Unterlassungsanspruch“ gem. §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB analog erreicht werden, d. h. für das Unterlassen zieht man die Grundsätze des deliktischen Schadensersatzrechtes heran, d. h. Unterlassen und deliktischer Schadensersatzanspruch werden von den Voraussetzungen her ähnlich behandelt. Die Beleidigerin wird danach zum Unterlassen der künftigen Beleidigung verurteilt.
Unterlassen und Schmerzensgeld
Analog §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB steht dem Beleidigten bei einer derart einfachen Beleidigung zwar ein Anspruch auf Unterlassen, jedoch kein Schmerzensgeldanspruch nach §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, 253 BGB zu, da die Intensität für eine Persönlichkeitsverletzung nicht erreicht werde. Es ist sehr interessant, dass ein und dieselbe Handlung einmal zu einem Anspruch auf Unterlassen, nicht zeitgleich auch zur Kompensation führt. Es gibt insoweit andere Urteile, bspw. des Landgerichts Koblenz vom 21.05.2012, Az. 3 KLs 23 Js 18049/11, in welchem u. a. für diese schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung ein Schmerzensgeld von 750,00 € als angemessen angesehen worden ist, wobei ein Polizeibeamter beleidigt wurde. In einem Beschluss des Landgerichts Bonn vom 14.01.2010, Az. 6 T 17/10, wurde festgestellt, dass es sich bei der Bezeichnung „Arschloch” um eine schwerwiegende Beleidigung handelt. Daran sieht man, dass nicht nur die unterschiedliche Handhabung von Unterlassen und Schmerzensgeld durch ein und dasselbe Gericht möglich ist. Es gibt auch andere Gerichte, die in Abhängigkeit von den Umständen des Einzelfalls nicht nur den Anspruch auf Unterlassen sondern auch auch Kompensation zusprechen. Es lohnt sich daher zumindest beim Besitz einer Rechtsschutzversicherung den Anspruch auf Unterlassen neben dem Anspruch auf Schmerzensgeld zeitgleich geltend zu machen, so dass anders als im nachstehenden Urteil, der Geschädigte nicht nur beim Unterlassen sondern auch bei der Kompensation gewinnen kann.
Unterlassen im Urteil des AG Dortmund
431 C 5742/13
Verkündet am 29.11.2013
…, Justizbeschäftigte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Amtsgericht Dortmund
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
des Herrn … Dortmund,
Klägers,
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Sven Reissenberger, Ostenhellweg 53, 44135 Dortmund,
g e g e n
Frau … Dortmund,
Beklagte,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte … Dortmund,
hat das Amtsgericht Dortmund
auf die mündliche Verhandlung vom 29.11.2013
durch den Richter am Amtsgericht …
für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, es künftig zu unterlassen, den Kläger „Arschloch“ zu nennen.
Die Beklagte wird weiterhin verurteilt, dem Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 120,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.03.2013 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die durch die Beweisaufnahme entstandenen Kosten trägt die Beklagte.
Die übrigen Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 750,00 €für den Klageantrag zu 1) und auf weitere 750,00 € für den Klageantrag zu 2), insgesamt also auf 1.500,00 € festgesetzt.
Ta t b e s t a n d :
Die Parteien streiten über den Hergang einer Auseinandersetzung vom 01.03.2013 in der Nähe des Tores eines in den Bittermärker Wald führenden Weges.
Zwischen den Parteien war es bereits zuvor zu Animositäten gekommen, welche von ihnen unterschiedlich geschildert werden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Prozessbevollmächtigten der Parteien Bezug genommen. Am 01.03.2013 liefen der Kläger und der Zeuge Herr … zusammen mit dem Hund des Klägers an der Beklagten vorbei, in deren Nähe sich deren Hund befand. Es fiel dann eine Äußerung der Beklagten, deren Inhalt zwischen den Parteien streitig ist. Der Zeuge Herr … stellte die Beklagte wegen dieser Äußerung zur Rede. Der Verlauf dieses Kontaktes ist zwischen den Parteien ebenfalls streitig. Der Kläger behauptet, die Beklagte habe in dem Moment, als er und der Zeuge Herr … an ihr vorbeigelaufen seien, gesagt: „Da sind ja die beiden Arschlöcher“. Als der Zeuge Herr … sie wegen dieser Beleidigung zur Rede gestellt und gefragt habe, ob sie u. a. zu ihm „Arschloch“ gesagt habe, habe die Beklagte wörtlich geantwortet: „Ja das habe ich“. Der Kläger verlangte mit vorprozessualem Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 05.03.2013 die Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 750,00 € sowie die Abgabe einer strafbewährten Unterlassungserklärung, beides erfolglos. Der Kläger beantragt nunmehr,
- die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, den Kläger „Arschloch“ zu nennen;
- an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 750,00 €nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.03.2013 zu zahlen;
- an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 256,62 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.03.2013 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bestreitet, dass Wort Arschloch gegenüber dem Kläger und dem Zeugen Herrn … verwandt zu haben. Sie habe damals lediglich mit ihrer Hündin gesprochen und möglicherweise zu dieser gesagt: „Jetzt komm doch rein, Du Armleuchter“.
Der Zeuge Herr … habe sich dann plötzlich in einem Abstand von ca. 25 cm zu ihrem Gesicht aggressiv aufgebaut und laut gerufen: „Hast Du Arschloch gesagt? Hast Du Arschloch gesagt?“. Beim Schreien habe er eine äußerst feuchte Aussprache gehabt und das Gesicht der Beklagten gegen ihren Willen befeuchtet. Für die Beklagte sei das nur ekelhaft gewesen und sie habe sich bedroht gefühlt. Auf die Frage des Zeugen Herrn … habe sie überhaupt nicht geantwortet, sondern nur ihren Kopf geschüttelt und hilfesuchend zu ihrer Nachbarin, der Zeugin Frau …, geschaut. Das Gericht hat zudem umstrittenen Vorgang die Parteien angehört und den vom Kläger benannten Zeugen Herrn … sowie die von der Beklagten benannten Zeuginnen Frau …, Frau … und Frau … jeweils uneidlich vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 29.11.2013, wegen weiterer Einzelheiten des Sach‐ und Streitstandes auf die Parteischriftsätze und den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.
Das dem vorliegenden Verfahren vorausgegangene Schiedsverfahren war erfolglos.
E n t s c h e i d u n g s q r ü n d e
Die zulässigen Klagen sind zum Teil begründet, im Übrigen unbegründet.
Der Kläger hat keinen Schmerzensgeldanspruch gegen die Beklagte, und zwar schon nach seinem eigenen Sachvortrag nicht. Zwar hat die Beklagte den Kläger mit dem Wort Arschloch beleidigt und diese Beleidigung unmittelbar darauf noch einmal wiederholt, in dem sie gesagt hat, dass sie kurz zuvor dies gesagt habe. Eine derartige Beleidigung löst nach den §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, 253 BGB jedoch keinen Schmerzensgeldanspruch aus, da keine der in den genannten Normen aufgeführten Rechtsgutverletzungen, insbesondere keine Körperverletzung gegeben ist. Zwar hat die Rechtsprechung in analoger Anwendung des § 823 Abs. 1 BGB auch bei schwerwiegenden Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ausnahmsweise ein Schmerzensgeld zugesprochen, um so die in Art. 1 des Grundgesetzes geschützte Würde jedes Menschen vor schweren Persönlichkeitsrechtsverletzungen effektiv zu schützen. Bei der vorliegend streitigen Beleidigung geht es jedoch nicht um eine derart schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung, welche des Schutzes über eine Verpflichtung zur Schmerzensgeldzahlung bedarf. Dem Kläger steht allerdings der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gem. §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB analog zu. Er hat nämlich den ihm obliegenden Beweis dafür erbracht, dass die Beklagte ihn mit dem Wort „Arschloch“ beleidigt und diese Beleidigung unmittelbar danach noch einmal bestätigt hat.
Dies steht zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der Aussage des Zeugen Herrn … fest. Dieser hat im Kern lebensnah und gut nachvollziehbar die Dinge so geschildert, wie der Kläger sie im vorliegenden Verfahren behauptet hat. Da der Zeuge Herr … in keinerlei persönlicher Beziehung zur Beklagten stand und man sich noch nicht einmal kannte, bestand für ihn überhaupt keine Veranlassung, auf eine Äußerung der Beklagten, die keinerlei beleidigenden Charakter hatte (wie die Beklagte es behauptet), so zu reagieren, wie er dies mit dem unstreitigen Kern des Zur-Rede‐Stellens gegenüber der Beklagten getan hat. Das Gericht hält es auch für ausgeschlossen, dass sowohl der Kläger wie auch der Zeuge Herr … sich bei der Wahrnehmung der Äußerung der Beklagten geirrt haben könnten. Zwar hätte das Gericht wahrscheinlich einen derartigen Irrtum nicht ganz sicher ausschließen können, wenn es vorliegend nur um die eine Äußerung gegangen wäre, welche nach d e r Behauptung der Klägerseite das Wort „Arschloch“ enthielt und nach der Version der Beklagten vielleicht das Wort „Armleuchter“. Vorliegend ist es allerdings so, dass die Beklagte auf Nachfrage des Zeugen Herrn …, ob sie ihn und den Kläger „Arschloch“ genannt habe, dies ausdrücklich bestätigt hat. Wenn die Beklagte dies nicht gesagt oder aber das Herausrutschen einer Beleidigung sofort bedauert hätte, dann hätte es nahe gelegen, dass sie entweder die Äußerung gegenüber dem Zeugen Herrn … bestritten oder aber sich dafür entschuldigt hätte. Da die Beklagte die Äußerung aber bestätigt hat, ist davon auszugehen, dass auch genau diese Äußerung vorher abgegeben worden ist. Weshalb hätte sie diese sonst bestätigen sollen? Diese nach alledem inhaltlich als absolut glaubhaft zu bewertende Aussage des Zeugen Herrn … ist für den vorliegenden Fall überzeugende Grundlage der Entscheidung geworden, weil der Zeuge Herr … als persönlich glaubwürdig gelten muss. Zwar handelt es sich bei ihm offensichtlich um einen guten Bekannten oder Freund des Klägers.
Das Gericht hält es jedoch für ausgeschlossen, dass der Zeuge Herr … ohne jeglichen nachvollziehbaren Anlass die Beklagte zur Rede gestellt und dann auch noch gegenüber dem Gericht wegen einer Lappalie eine Falschaussage gemacht haben könnte. Für den Kläger und den Zeugen Herrn … muss nach dem umstrittenen Vorfall von Anfang an klar gewesen sein, dass die Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber der Beklagten mit erheblichen Mühen verbunden sein würde. Dem Kläger wird, beraten durch den Zeugen Herrn …, der Rechtsanwalt ist, klar gewesen sein, dass sich mit dem umstrittenen Vorfall kein „Geld verdienen“ lasse. Also musste sowohl dem Kläger wie auch dem Zeugen Herrn … von Anfang an klar sein, dass man gegen die Beklagte nur eine Unterlassungserklärung erstreiten könne, welche zwar vor weiteren Beleidigungen durch sie wohl schützen werde, mehr aber auch nicht. Dass vernünftig erscheinende erwachsene Menschen in der Situation des Klägers und des Zeugen Herrn … einen derartigen Aufwand wider besseres Wissen betrieben haben könnten, hält das Gericht für ausgeschlossen. Die von der Beklagten benannten Gegenzeugen haben die Aussage des Zeugen Herrn … und die Angaben des Klägers im Kern nicht erschüttern können. Die Zeugin Frau Voss konnte sich an die Angelegenheit nicht mehr erinnern, so dass ihrer unergiebigen Aussage überhaupt keine Bedeutung für die Entscheidung zukommt. Die mit der Beklagten befreundete Zeugin Frau … hat lediglich bestätigen können, dass die Beklagte von einem Mann zur Rede gestellt worden sei, der sich vor ihr aufgebaut habe. Dabei sei dieser Mann relativ nah an die Beklagte herangekommen und habe sich nach vorn herüber gebeugt. Es sei aber nicht so gewesen, dass man Kopf an Kopf voreinander gestanden habe. Was bei der Gelegenheit gesprochen worden sei, habe die Zeugin nicht gehört. Diese Aussage bestätigt nur die ohnehin unstreitige Tatsache, dass der Zeuge Herr … die Beklagte zur Rede gestellt hat.
Die Zeugin Frau… hat inhaltlich eine sehr unsichere Aussage gemacht.
Allerdings kann ihre Aussage im Kern entnommen werden, dass sie relativ zuverlässig mitbekommen hat, dass der Zeuge Herr … sich irgendwie vor der Beklagten aufgebaut hat. Die Zeugin wusste allerdings nicht und konnte es offenbar aufgrund der Entfernung auch gar nicht hören, was zwischen dem Zeugen Herrn … und der Beklagten gesprochen worden ist. Sie hat dann lediglich noch gesagt, dass die Beklagte kopfschüttelnd weggegangen sei. All diese Angaben erschüttern die Glaubhaftigkeit des Kerns der Aussage des Zeugen Herrn … und dessen Glaubwürdigkeit nicht. Vielmehr bestätigen die Zeugin … und die Zeugin … lediglich das, was zwischen den Parteien ohnehin unstreitig ist, dass nämlich der Zeuge Herr … die Beklagte zur Rede gestellt hat. Der einzige Unterschied zwischen den Angaben des Zeugen Herrn … und den Angaben der beiden Zeuginnen liegt darin, dass der Zeuge Herr … angegeben hat, er habe die Beklagte nicht im aggressiven Ton angesprochen und eine Distanz von etwa 5 Metern zu ihr eingehalten, während die beiden Zeuginnen die Dinge so geschildert haben, dass der Zeuge Herr … erheblich näher und mit aggressiverer Körperhaltung der Beklagten gegenüber getreten sei. Selbst wenn man insoweit Abstriche bzgl. der Glaubhaftigkeit aller Teile der Aussage des Zeugen … macht, was angesichts der Angaben der beiden Zeuginnen und aufgrund allgemeiner Erwägungen nicht fernliegend ist, dann ändert das aber nichts daran, dass der Zeuge zu seinem Verhalten herausgefordert worden sein muss, nämlich durch die vorherige Beleidigung seitens der Beklagten. Selbst wenn der Zeuge dann ‐ was nicht fernliegend ist ‐ relativ aggressiv auf die Beklagte zugegangen sein sollte, so hat er damit sicherlich ’nicht bei der Beklagten wahrheitswidrig die Antwort herausgefordert: „Ja, das habe ich gesagt“. Wenn er ihr bedrohlich zu nah gekommen sein sollte, dann hätte es nahe gelegen, dass die Beklagte die Beleidigung nicht etwa zugibt, sondern entweder bestreitet oder aber sich umgehend entschuldigte.
Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten schuldet die Beklagte in der zugesprochenen Höhe gem. § 823 Abs. 1 BGB als adäquat kausale Folge der ausgesprochenen Beleidigung. Allerdings waren die Gebühren nur nach einem Streitwert von 750,00 € zu bemessen, weil das Gericht den Wert des erfolgreich geltend gemachten Unterlassungsanspruch nicht höher ansetzt.
Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§ 280, 286 ff. BGB, 91, 92 Abs. 1, 708 ff. ZPO.
…
Richter am Amtsgericht
Ausgefertigt
…, Justizbeschäftigte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle