Geschwindigkeitsuebertretung mit Bußgeld und Fahrverbot
Ich berichte zum Thema Geschwindigkeitsuebertretung mit Bußgeld und Fahrverbot von einem Beschluss des OLG Hamm vom 26.07.2012, Az. III -2 RBs 29/12.
Dieser Beschluss korrigiert trotz einer gemessenen Geschwindigkeitsuebertretung eine fehlerhafte Entscheidung des Amtsgerichts Hagen, Urteil vom 26.11.2011, in welchem das Amtsgericht Hagen nicht bereit war, von einem Fahrverbot abzusehen. Das Interessante an dieser Entscheidung des OLG Hamm ist die fehlerhafte Bewertung von Voreintragungen wegen einer früheren Geschwindigkeitsuebertretung durch das Amtsgericht zu Lasten des Betroffenen. Das Gericht hatte diese zu Unrecht zu Lasten des Betroffenen berücksichtigt und dabei die Rechtskraft der Entscheidungen in seinem Urteil nicht erwähnt. Da das OLG Hamm aus diesem Grunde gehindert war, das Urteil auf seine Richtigkeit hin zu überprüfen, wurde es zugunsten des Betroffenen aufgehoben.
Im Einzelnen:
III-2 RBs 29/12
OLG Hamm
Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm
-Bußgeldsache-
gegen …
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.
Auf den Antrag des Betroffenen … gegen das Urteil des Amtsgerichts Hagen vom 06.12.2011 sowie auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das vorgenannte Urteil hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 26. Juli 2012 durch
die Richterin am Oberlandesgericht Giesert
als Einzelrichterin gemäß § 81 a Abs. 1 OWiG
nach Anhörung sowie auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft und nach Anhörung des Betroffenen bzw. seines Verteidigers beschlossen:
- …
- Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch nebst den diesem zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
- Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Hagen zurückverwiesen.
- … .
Gründe:
I.
Der Betroffene wurde durch Urteil des Amtsgerichts Hagen vom 06.12.2011 wegen fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gemäß §§ 41 (Zeichen 274), 49 StVG, 24 StVG zu einer Geldbuße von 120,00 Euro verurteilt. Außerdem wurde dem Betroffenen für die Dauer von einem Monat untersagt, Kraftfahrzeuge jeder Art im Straßenverkehr zu führen und gemäß § 25 Abs. 2a StVG angeordnet, dass das verhängte Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der Führerschein des Betroffenen nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.
Nach den Urteilsfeststellungen überschritt der Betroffene am Tattag mit dem von ihm geführten PKW der Marke Ford mit dem amtlichen Kennzeichen … auf der Bundesautobahn 45 außerhalb geschlossener Ortschaften die im Bereich des Kilometersteins 38,8 zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 26 km/h.
Gegen das vorgenannte Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der eine Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird. Soweit Verteidiger des Betroffenen zur Begründung der erhobenen Verfahrensrüge, der von ihm gestellte Beweisantrag sei zu Unrecht zurückgewiesen worden, u. a. ausgeführt hat, die Verfahrensrechte des Betroffenen seien beschnitten worden, da ihm die erneute Akteneinsicht durch Vorlage der Akte in seiner Kanzlei trotz einer entsprechenden ausdrücklichen Bitte verwehrt worden sei, infolge dessen habe nicht nochmals Einblick in die Akte genommen werden und die im Beweisantrag aufgeführten Fakten hätten nicht mehr fruchtbar gemacht und eingearbeitet werden können, ist dieses Vorbringen bei zutreffender Auslegung als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumnis der Rechtbeschwerdebegründungsfrist aufzufassen.
II.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat zu dem Wiedereinsetzungsgesuch in ihrer Antragsschrift u.a. Folgendes ausgeführt:
„Soweit der Betroffene geltend macht, die seinem Verteidiger verwehrte erneute Akteneinsicht habe die formgerechte Formulierung der Verfahrensrüge verhindert, ist ein – im Wege der Auslegung nach § 300 StPO ermittelter – Antrag aus Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumnis der Frist zur Anbringung der Rechtsbeschwerdebegründung jedenfalls unbegründet. Eine derartige Wiedereinsetzung darf nicht dazu dienen, die Form- und Fristgebundenheit der Rechtsbeschwerdebegründung zu unterlaufen und kann daher nur ausnahmsweise erfolgen (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 20.04.1999 – 4 Ss OWi 98/99 – m.w.N., zitiert nach burhoff). Ein solcher Ausnahmefall kann vorliegen, wenn dem Verteidiger des Betroffenen trotz angemessener Bemühungen vor Ablauf der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist keine Akteneinsicht gewährt worden ist und Verfahrensrügen nachgeschoben werden sollen, die ohne Aktenkenntnis nicht begründet werden können (zu vgl. OLG Hamm, a. a. O. m. w. N.). Gleiches hat zu gelten, wenn erst nach erfolgter Akteneinsicht das Rügevorbringen in der gebotenen Form ergänzt werden kann. … “.
…
…
III.
Die Rechtsbeschwerde hat in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang teilweise Erfolg. Sie führt zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils im Rechtsfolgenausspruch und im Umfang der Aufhebung zu einer Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Hagen. …
1.
Der Schuldausspruch des angefochtenen Urteils hält einer rechtlichen Überprüfung stand. Insoweit war daher die Rechtsbeschwerde entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft in Hamm gemäß § 349 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG als unbegründet zu verwerfen.
2.
In Bezug auf den Rechtsfolgenausspruch hält die Bußgeldzumessung dagegen einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Das Amtsgericht hat den Rechtsfolgenazsspruch u.a. wie folgt bergündet:
„Nach alledem hat sich der Betroffene der fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gemäß §§ 41, 49 StVO, 24 StVG schuldig gemacht. Wegen dieser Ordnungswidrigkeit hielt das Gericht eine Geldbuße von 120,00 € für angemessen, da der Betroffene bereits einschlägige Voreintragungen hat. gegen den Betroffenen war ein Fahrverbot von einem Monat gemäß § 25 StVG zu verhängen, da der Betroffene innerhalb eines Jahres zweimal 26 km/h zu schnell gefahren ist.“
Zur Person des Betroffenen wird in den Urteilsgründen u. a. ausgeführt:
„Der Betroffene ist bereits verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten: Am 11.02.2007 überschritt er die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 38 Km/h. Am 29.02.2008 überschritt er die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 21 km/h. Schließlich überschritt er am 08.11.2009 die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 28 km/h. Deswegen wurde gegen den Betroffenen ein Bußgeldbescheid festgesetzt, der am 25.02.2010 rechtskräftig wurde.“
Der Amtsrichter hat die für die hier in Rede stehende Ordnungswidrigkeit nach Nr. 11.3.5. der Tabelle 1 c der Anlage zu § 1 der Bußgeldkatalogverordnung vorgesehene Regelgeldbuße von 80,00 € wegen einschlägiger Voreintragungen des Betroffenen auf 120,00 € erhöht.
Die Ausführungen in den Urteilsgründen zu den Voreintragungen des Betroffenen betreffend die von diesem begangener Geschwindigkeitsüberschreitungen vom 11.02.2007 und 29.02.2008 sind jedoch lückenhaft. Bei einer Heranziehung von Voreintragungen ist es grundsätzlich zumindest erforderlich, jeweils das Datum der Rechtskraft oder der Unanfechtbarkeit der der Eintragung zugrunde liegenden Entscheidung mitzuteilen (vgl. BGH NJW 1993, 3081), um dem Rechtsbeschwerdegericht einer Überprüfung dahingehend zu ermöglichen, ob die den Voreintragungen zugrunde liegenden Bußgeldentscheidungen zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht in Rechtskraft erwachsen und verwertbar waren. Hinsichtlich der Verkehrsverstöße vom 11.02.2007 und 29.02.2008 fehlen die Angaben jedoch. Selbst wenn man unter Zugrundelegung des Umstandes, dass in das Verkehrszentralregister nur rechtskräftige Entscheidungen eingetragen werden, davon ausginge, dass auch die Verkehrsverstöße vom 11.02.2007 und 29.02.2008 rechtskräftig geahndet worden sind, genügen die Urteilsführungen nicht, da sie jedenfalls keine Überprüfbarkeit der Verwertbarkeit der ersten aufgeführten Voreintragung, die eine Geschwindigkeitsüberschreitung aus dem Jahre 2007 betrifft, ermöglichen. Insoweit kann nicht ausgeschlossen werden, dass die diesen Verstoß betreffende Bußgeldentscheidung zum Zeitpunkt der amtsgerichtlichen Hauptverhandlung bereits seit mehr als zwei Jahre rechtskräftig und daher wegen Eintritt der Tilgungsreife nicht mehr verwertbar war. Ob durch die nachfolgende Eintragung die zweijährige Tilgungsfrist gemäß § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StVG gehemmt worden ist, vermag der Senat nicht zu überprüfen, da auch das Datum der Rechtskraft der Entscheidung, die Geschwindigkeitsüberschreitung vom 29.02.2008 betrifft, nicht mitgeteilt wird. Da das Amtsgericht die Erhöhung der Regelgeldbuße mit den einschlägigen Voreintragungen des Betroffenen begründet hat, kann der Senat nicht ausschließen, dass die Höhe der verhängten Geldbuße auch auf einer Heranziehung der ersten, in den Urteilsgründen mitgeteilten Voreintragung beruht.
Der Rechtsfolgenausspruch konnte daher hinsichtlich des verhängten Bußgeldes keinen Bestand haben. Wegen der Wechselwirkung zwischen Bußgeld und Fahrverbot hat dies zur Folge, dass der Rechtsfolgenausspruch insgesamt aufzuheben war.
Eine eigene Sachentscheidung des Senats gemäß § 79 Abs. 6 OWiG kam nicht in Betracht.
Hinsichtlich der letzten Voreintragung, der nach den Urteilsfeststellungen ein am 25.02.2010 rechtskräftig gewordener Bußgeldbescheid zugrunde liegt, war bereits bei Vorlage der Akten zur Entscheidung über die Rechtsbeschwerde die zweijährige Tilgungsfrist gemäß § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StVG verstrichen. Den zwischenzeitlichen Ablauf von Tilgungsfristen hat der Senat – ebenso wie das Amtsgericht im Falle einer Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – bei einer eigenen Sachentscheidung zu berücksichtigen (vgl. Gürtler in Göhler, OWiG 16. Aufl., § 17 Rdnr. 20a). Dem Senat ist aber aufgrund der lückenhaften Ausführungen zu den beiden weiteren Voreintragungen keine Überprüfung dahingehend möglich, ob aufgrund des Ablaufs der zweijährigen Tilgungsfrist hinsichtlich der in dem angefochtenen Urteil zuletzt aufgeführten Voreintragung gemäß § 29 Abs. 6 S. 1 StVG Tilgungsreife auch hinsichtlich der Bußgeldentscheidungen, die den beiden weiteren Voreintragungen zugrunde liegen eingetreten ist. Auch ist dem Senat als Rechtsbeschwerdegericht eine Überprüfung verwehrt, ob vor Eintritt der Tilgungsreife hinsichtlich der Eintragung betreffend den am 25.02.2012 rechtskräftig gewordenen Bußgeldbescheid – gegebenenfalls auch vor Eintritt der Tilgungsreife hinsichtlich sämtlicher Voreintragungen – eine ihre Tilgung hemmende Eintragung des Betroffenen im Verkehrszentralregister vorgenommen worden ist. Zur Klärung dieser Fragen sind vielmehr weitere Feststellungen nötig, so dass die Sache im Umfang der Aufhebung an das Amtsgericht Hagen zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen war.