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Fahrererkennbarkeit, Beschluss OLG Hamm

Fahrererkennbarkeit:

Ich berichte von einem aktuellen Beschluss aus dem Bereich des Verkehrsrecht und insoweit über ein Bußgeldverfahren und hier speziell zur Fahrererkennbarkeit. Die Kanzlei Reissenberger vertritt häufig Mandanten in sog. „Bußgeldverfahren“. Über das „Nachfahren“, die „Fahrzeugführereigenschaft“, die „Fahrereigenschaft“ und sonstige Geschwindigkeitsverstöße hat RA Reissenberger bereits in der Vergangenheit Entscheidungen veröffentlicht, so dass sich diese Entscheidung über die Fahrererkennbarkeit hier einreiht.

Vorliegend vertrat RA Reissenberger den Betroffenen, der im Bereich des Amtsgerichts Schwerte in der Roten-Haus-Straße in Schwerte in Fahrtrichtung Norden dem dortigen „Blitzer“, also dem dortigen Geschwindigkeitsmessgerät zum Opfer fiel. Er soll massiv zu schnell gefahren sein. Der Kreis Unna übermittelte dem Mandanten ein Anhörungsschreiben mit einem Fotos des Fahrers und später einen Bußgeldbescheid, gegen den Rechtsanwalt Reissenberger Einspruch einlegte. In solchen Fällen stellt sich neben technischen Fragen auch immer die Frage der Fahrererkennbarkeit.

In der Gerichtsverhandlung von dem Amtsgericht Schwerte hat der Mandant von seinem Schweigerecht Gebraucht gemacht. Daher oblag es dem Gericht, die Fahrereigenschaft des Mandanten, also die Übereinstimmung meines Mandanten mit der Person auf dem Messfoto, festzustellen. Dabei kam es auf die Fahrererkennbarkeit an, also inwiefern das Bild scharf genug war, das Gesicht erkennbar oder durch eine Kappe, Sonnenbrille, Innenspiegel, Sonnenblende, Bart, etc. … verdeckt war.

Dies gelang dem Amtsgericht Schwerte jedoch nicht. Es führte zur Fahrereigenschaft und zur Fahrererkennbarkeit fast nichts aus. Somit konnte Rechtsanwalt Reissenberger neben anderen Argumenten das Urteil des Amtsgerichts Schwerte mit dem Argument erfolgreich als fehlerhaft angreifen, die Fahrereigenschaft des Mandanten als denjenigen, der gemessen worden war, sei nicht festgestellt worden, da das Amtsgericht Schwerte nichts zur Fahrererkennbarkeit ausführte. 

Sowohl die Generallstaatsanwaltschaft in Hamm als auch das OLG Hamm haben die Feststellungen des Amtsgerichts zur Fahrererkennbarkeit als unzureichend festgestellt. 

 

Fahrererkennbarkeit – 

Der Beschluss III – 5 RBs 436/20 OLG Hamm vom 07.12.2020:

Im nachstehenden Beschluss hat das OLG Hamm sehr schön festgestellt, weshalb ein fast immer sinnvolles Schweigen ohne weitere Feststellungen des Amtsgerichts keinen Rückschluss auf die Fahrererkennbarkeit und damit seine Fahrereigenschaft zulassen. Das Schweigen des Betroffenen ist also wie ein Bestreiten (auch) der Fahrereigenschaft zu werten.

 

 

OBERLANDESGERICHT HAMM

BESCHLUSS 

 

 

III – 5 RBs 436/20 OLG Hamm

6 Ss OWi 1456/20 GStA Hamm

10 OWi-573 Js-Owi 535/20-310/20 (AG Schwerte) 

In der Bußgeldsache 

gegen 

…,

geboren … in Dortmund, unbekannte Staatsangehörigkeit, wohnhaft … Dortmund

Verteidiger:

Rechtsanwalt Sven Reissenberger in Dortmund

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit 

hat der 5. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 28.08.2020 gegen das Urteil des Amtsgerichts Schwerte vom 25.08.2020 nach Anhörung und auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Hamm sowie nach Anhörung des Betroffenen bzw. seines Verteidigers durch 

die Richterin am Amtsgericht Dr. L.

als Einzelrichterin gemäß § 80a Abs. 1 OWiG 

am 07.12.2020 beschlossen: 

Das angefochtene Urteil wird mit den getroffenen Feststellungen aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung ‐ auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens – an das Amtsgericht Schwerte zurückverwiesen. 

 

 

Fahrererkennbarkeit –  

Gründe: 

 

Das Amtsgericht Schwerte hat den Betroffenen im angefochtenen Urteil wegen vorsätzlichen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften zu einer Geldbuße von 440 Euro verurteilt und ihm für die Dauer von einem Monat verboten, Kraftfahrzeuge jeglicher Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen. 

Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde vom 28.08.2020, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. 

Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat am 09.11.2020 Stellung genommen und beantragt, das angefochtene Urteil mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Schwerte zurückzuverweisen. Der Betroffene hat hierzu erneut mit Schriftsatz vom 26.11.2020 Stellung genommen. 

Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache. 

 

1) 

Vorliegend ist die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils lückenhaft und hält rechtlicher Überprüfung nicht stand, denn es fehlt die Mitteilung, ob bzw. wie sich der Betroffene zur Sache eingelassen hat. Das Urteil erschöpft sich in der Feststellung, dass der Betroffene seine Fahrereigenschaft nicht in Abrede gestellt hat. Dies lässt aber eine Vielzahl an Deutungsmöglichkeiten zu. 

Zwar folgt aus § 267 StPO keine aüsdrücklich normierte Verpflichtung des Tatrichters zur Wiedergabe der Einlassung. Eine entsprechende Verpflichtung des Tatgerichts, wiederzugeben, ob und ggf. wie sich der Betroffene zum Tatvorwurf eingelassen hat, folgt aber aus der Notwendigkeit, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein anhand der Feststellungen des angegriffenen Urteils überprüfen können muss, ob sich der Tatrichter unter Berücksichtigung der erhobenen Beweise eine tragfähige und nachvollziehbare Grundlage für seine Überzeugungsbildung verschafft hat (BGH, Beschluss vom 12.12.2019 – 5StR 444/19, OLG Hamm, Beschluss vom 04.03.2008, StV 2008, 401). 

Entsprechend vermag der Senat aufgrund der allein zur Verfügung stehenden Angaben im Urteil nicht festzustellen, ob sich der Betroffene zur Sache eingelassen hat oder nicht, bzw. in welchem Umfang die Einlassung erfolgt ist, und ob das Tatgericht dies umfassend anhand der sonstigen Beweismittel gewürdigt hat. Somit ist dem Senat die Prüfung, ob die Überzeugung des Amtsgerichts, dass der Betroffene der Fahrer ist, auf einer rational nachvollziehbaren und damit tragfähigen Beweiswürdigung beruht, nicht möglich. 

Auch ist vorliegend nicht von einer im Einzelfall einfachen Beweislage auszugehen, die ein Beruhen des Urteils auf den fehlenden Feststellungen ausschließt. Denn es ist im angegriffenen Urteil auch nicht nach § 267 Abs. 1 Satz 2 StPO i. V. m. § 71 Abs. 1 OWiG auf ein zur Identifizierung generell geeignetes Lichtbild verwiesen worden. Lediglich in diesem Fall bedürfte es keiner näheren Ausführungen im Urteil, da das Rechtsbeschwerdegericht infolge der Verweisung, wodurch das/die entsprechende(n) Lichtbild(er) Bestandteil der Urteilsgründe sind, in eigener Anschauung beurteilen kann, ob diese als Identifizierungsgrundlage tauglich sind. 

Wie ausgeführt fehlen aber Feststellungen zur Fahrereigenschaft bzw. eine Bezugnahme auf die in der Akte befindlichen Lichtbilder, so dass weder die Würdigung des Tatgerichts vom Senat geprüft noch diese selber vorgenommen werden kann. 

 

2) 

Die Sache war daher unter Aufhebung auch der Feststellungen zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgerichts Schwerte zurückzuverweisen (§ 79 Abs. 6 StPO). Es bestand kein Anlass, von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, die Sache an eine andere Abteilung oder ein anderes Amtsgericht zu verweisen (§ 79 Abs. 6 Alt. 2 und 3 OWiG).