Kuendigungsschutzklage, Urteil Arbeitsgericht Essen

Kuendigungsschutzklage

Eine Kuendigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Essen. Die Arbeitnehmerin wurde nicht ordnungsgemäß entlohnt. Der Arbeitgeber ließ sich anfänglich nicht anwaltlich vertreten. Die Arbeitnehmerin erhielt eine Kündigung. Hiergegen wurde Kuendigungsschutzklage, Zahlungsklage mit der Prüfung der Sozialauswahl erhoben sowie der Weiterbeschäftigungsantrag gestellt und das nachstehende Urteil erstritten. Die Kuendigungsschutzklage hatte nach alledem Erfolg.

 

Ausfertigung
6 Ca 2972/12

16.01.2013

ARBEITSGERICHT ESSEN

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit
der … Essen, – Klägerin – Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Reissenberger, Ostenhellweg 53, 44135 Dortmund,
g e g e n
die … AG, vertr. d. d. Vorstand …,
– Beklagte ‑
hat die 6. Kammer des Arbeitsgerichte Essen auf die mündliche Verhandlung vom 16.01.2013 durch den Richter am Arbeitsgericht Pletsch als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richtern Cremer und Kohn für Re c h t erkannt:

  1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 09.10.2012 beendet ist.
  2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin zu den bisherigen Bedingungen weiter zu beschäftigen.
  3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 9.164,00 € brutto abzgl. geleisteter 4.260,63 € netto zu zahlen.
  4. Die Kosten werden der Beklagten zu 72 % und der Klägerin zu 28 % auferlegt.
  5. Streitwert: 10.503,37 €.
  6. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung, sowie über Zahlungsansprüche der Klägerin.
Die Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 13.11.2011. beschäftigt. Sie ist zwei Kindern gegenüber zum Unterhalt verpflichtet und getrennt lebend.
Ursprünglich war die Klägerin zu 120 Stunden im Monat bei einem Stundenlohn von 7 € brutto, entsprechend 840 € brutto pro Monat, ab Januar 2012 im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung bei 400 € brutto pro Monat beschäftigt. Im September 2012 erfolgte eine Neuregelung auf Basis von 160 Stunden pro Monat bei weiterhin 7 € pro brutto pro Stunde, mithin einer Bruttomonatsvergütung von 1.120 €.
Gezahlt hat die Beklagte der Klägerin für Dezember 2011 799,72 € netto, für Januar 2012 321€netto, Februar 2012 238,08 €netto, für März 2012 318,90 € netto, für April 2012 258 € netto, für Mai 2012 312 € netto, für Juni 2012 357,60 € netto, für Juli 2012 330 € netto, für August 2012 232 € netto, für September 2012 598,41 € netto und für Oktober 2012 733 € netto.

Mit Schreiben vom 09.10.2012 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 24.10.2012. Nach Übergabe der Kündigung‘ ist die Klägerin der Arbeit verwiesen worden.
Die Klägerin behauptet, bei der Beklagten wären mehr als zehn Arbeitnehmer exklusive der zu ihrer Berufsausbildung Tätigen beschäftigt. Es seien dies jedenfalls die Herren, … sowie zwei weitere Damen mit Vornamen …, eine Putzfrau …, sowie die Klägerin selbst beschäftigt, und schließlich zwei … im Außendienst.

Die Klägerin rügt das Nichtbestehen von Kündigungsgründen und begehrt die Zahlung der Differenz zwischen der geschuldeten und der tatsächlich gezahlten Vergütung.

Sie beantragt:

  1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 09.10.2012 nicht aufgelöst worden ist, sondern fortbesteht.
  2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin zu den bisherigen Bedingungen weiter zu beschäftigen.
  3. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 9.164,00 €brutto abzgl. der bereits geleisteten 4.260,63 € netto seit dem 15.12.2012 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat innerhalb der ihr mit Beschluss aus dem Gütetermin vom 30.11.2012 gesetzten Frist nicht Stellung genommen. Im Kammertermin vom 16.01.2013 hat sie behauptet, bei ihr währen deutlich unter zehn Arbeitnehmern beschäftigt. Die Klägerin hätte durchschnittlich 300 ‐ 400 €verdient, nicht mehr. Die Klage ist am 26.10.2012 beim Arbeitsgericht Essen eingegangen und der Beklagten am 02.11.2012 zugestellt worden. Die Klägerin hat die Klage am 14.12.2012, der Beklagten zugestellt am 15.12.2012, um einen Zahlungsantrag in Höhe von „nunmehr insgesamt 12.644 € brutto abzüglich geleisteter 4.260,63€ netto erweitert, im Kammertermin indes die Klage bis auf die o. g. Anträge wieder zurückgenommen.
Wegen des weiteren Vorbringens sowie wegen der Einzelheiten, wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Terminsprotokolle ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:

A.

Die Klage ist zulässig und, soweit noch über sie zu entscheiden war, auch begründet.

I.

Die Kündigung vom 09.10.2012 ist unwirksam und beendet das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht.

1.

Die Klägerin kann sich auf die Unwirksamkeit der Kündigung auch noch berufen, da sie rechtzeitig innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Klage erhoben hat, §§ 4, 7 KSchG, bei Eingang der Klage am 26.10.2012 und Zugang der Kündigung am 09.10.2012.

2.

Die Kündigung ist sozialwidrig nach § 1 KSchG. Danach ist die Kündigung eines Arbeitnehmers, der mehr als sechs Monate im Betrieb beschäftigt ist, unwirksam, wenn sie nicht durch Gründe in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse gerechtfertigt ist. a.

Das Kündigungsschutzgesetz findet von der Betriebsgröße her Anwendung auf das Arbeitsverhältnis, § 23 Abs. 1 KSchG. Die Klägerin hat substantiiert vorgetragen, dass mehr als zehn Arbeitnehmer bei der Beklagten beschäftigt sind, und dabei die Arbeitnehmer individualisierbar bezeichnet.

aa.

Nach ständiger Rechtsprechung des BAG zu § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der in § 23 Abs.1 KSchG geregelten betrieblichen Geltungsvoraussetzungen des Kündigungsschutzgesetzes (vgl. BAG vom 23.10.2008 ‐ 2 AZR 131/07 m. w. N.), § 23 KSchG beschreibt eine Anspruchsvoraussetzung. Der Arbeitnehmer kann nur bei Überschreitung des Schwellenwerts die fehlende soziale Rechtfertigung geltend machen. Auch hat der Gesetzgeber den Wortlaut des § 23 KSchG trotz verschiedentlicher Neuregelungen im hier maßgeblichen Punkt unverändert gelassen, obwohl ihm die seit Jahrzehnten bestehende bisherige Rechtsprechung bekannt war. Schließlich verlangt der Gesichtspunkt der Sachnähe des Arbeitgebers, was die grundsätzliche Verteilung der Darlegungs- und Beweislast anbelangt, kein anderes Ergebnis, (BAG, a.a.O.).

Etwaigen Beweisschwierigkeiten des Arbeitnehmers ist nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast Rechnung zu tragen; Es ist darauf zu achten, dass an die Erfüllung der Darlegungslast durch den Arbeitnehmer keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen (ebenda, m.w.N.). Dies gilt umso mehr, als der Arbeitgeber aufgrund seiner Sachnähe ohne weiteres substantiierte Angaben zum Umfang und zur Struktur der Mitarbeiterschaft und ihrer arbeitsvertraglichen Vereinbarungen machen kann. Dementsprechend dürfen vom Arbeitnehmer keine Darlegungen verlangt werden, die er mangels eigener Kenntnismöglichkeit nicht erbringen kann.

Der Arbeitnehmer genügt deshalb regelmäßig seiner Darlegungslast, wenn er ‐ entsprechend seiner Kenntnismöglichkeiten ‐ die für eine entsprechende Arbeitnehmerzahl sprechenden Tatsachen und die ihm bekannten äußeren Umstände schlüssig darlegt. Der Arbeitgeber muss dann nach § 138 Abs. 2 ZPO im Einzelnen erklären, welche rechtserheblichen Umstände gegen die Darlegungen des Arbeitnehmers sprechen (ebenda. m. w. N.).

bb.

Nach diesen Grundsätzen ist von der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes auszugehen. Die Klägerin hat von der Kopfzahl her 14 Arbeitnehmer bezeichnet und behauptet, dass damit insgesamt mehr als zehn Arbeitnehmer im Sinne des KSchG beschäftigt sind. Die Arbeitgeberin hat demgegenüber lediglich pauschal behauptet, dass „deutlich unter“ zehn Arbeitnehmer beschäftigt seien, ohne auch nur eine konkrete Zahl zu nennen, geschweige denn, auf die von der Klägerseite namentlich benannten Arbeitnehmer einzugehen.

Der Beklagten war auch „nicht noch eine erneute Frist zum diesbezüglichen Vortrag einzuräumen, da ihr bereits mit Beschluss vom 30.11.2012 aufgegeben worden war, innerhalb einer Ausschlussfrist bis zum 28.12.2012 in der Sache abschließend vorzutragen. Die Beklagte hat bis zum Termin am 16.01.2013 indes nicht vorgetragen, so dass ihr auch keine weitere Frist einzuräumen war.

b.

Die Klägerin hat das Nichtbestehen von Kündigungsgründen im Sinne von § 1 KSchG gerügt, die Beklagte hat weder innerhalb der gesetzten Frist, noch im Termin vom 16.01.2013 Kündigungsgründe vorgetragen, so dass das Nichtbestehen von Kündigungsgründen nach §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 138 Abs. 3 ZPO zugestanden ist. Auch insoweit war der Beklagten keine weitere Frist zur Stellungnahme zu setzen, s. o.

II.

Die Klägerin kann von der Beklagten die Weiterbeschäftigung aufgrund des bestehenden Arbeitsvertrages verlangen. Das Arbeitsverhältnis ist durch die Kündigung nicht beendet worden. Schutzwerte Interessen der Arbeitgeberin, die einer Weiterbeschäftigung entgegenstehen, sind nicht erkennbar. Der Anspruch auf Weiterbeschäftigung entsteht bereits vor Rechtskraft des Verfahrens mit der Feststellung des erstinstanzlichen Gerichts, dass die Kündigung unwirksam ist (vgl. BAG (GS) vom 27.02.1985 ‐ GS 1/84 ‐ NZA 1985, 702, 709).

 

III.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung der Differenz zwischen der vereinbarten und der tatsächlich geleisteten Vergütung aus § 611 BGB i. V. m. dem geschlossenen Arbeitsvertrag in Höhe von 9.164 € brutto abzüglich 4.260,63 € netto.

1.

Die Klägerin hat arbeitsvertraglich vereinbarte Bruttovergütungen vorgetragen für die Zeit von November bis Dezember 2011 in Höhe von 840 € pro Monat, für Januar bis August 2012 in Höhe von 400 € pro Monat, sowie ab September 2012 in Höhe von 1.120 € pro Monat.

a.

Dies ist nach §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 138 Abs. 3 ZPO zugestanden, nachdem die Beklagte dem Vortrag nicht substantiiert entgegengetreten ist. Aus Sicht der Kammer ist der pauschale Vortrag, die Klägerin hätte nicht mehr als 300‐400 € im Durchschnitt verdient, bereits nicht ausreichend substantiiert, nachdem die Klägerin zum einen für die Zeit ab September 2012 einen schriftlichen Arbeitsvertrag vorlegt, aus dem sich eine Arbeitszeit von 160 Stunden pro Monat ergibt, und zum anderen selbst nach den nicht bestrittenen Erfüllungsleistungen der Beklagten die Klägerin jedenfalls im Dezember 2011 deutlich mehr als 400 €, nämlich 799,72 € erhalten hat.

Soweit man den diesbezüglichen Vortrag entgegen der Kammer als zureichend ansehen wollte, wäre er jedenfalls nach § 56 Abs. 2 ArbGG als verspätet zurückzuweisen. Die Beklagte hat erst nach Ablauf der gesetzten Frist nach § 56 Abs. 1 ArbGG vorgetragen. Die Berücksichtigung würde ‐ wenn man den Vortrag entgegen der Kammer als erheblich betrachten würde – zu einer Verzögerung des Rechtsstreites führen, da der von der Klägerin angebotene Beweis zu erheben, wäre, und hierzu ein neuer Termin anberaumt werden müsste; Eine Entschuldigung für die Verspätung im Sinne von § 56 Abs. 2 ArbGG liegt indes nicht vor.

b.

Nach. dem zugestandenen Vortrag der Klägerin, s. o.‚ ergeben sich Ansprüche für die Zeit von November 2011 bis einschließlich Oktober 2012 in Höhe von insgesamt 9.164 € brutto.

Für den Zeitraum ab Übergabe der Kündigung im Oktober 2012 bis zum Ende Oktober ergibt sich der Anspruch dabei aus §§ 611, 615 BGB i. V. m. „dem geschlossenen Arbeitsvertrag, nachdem die Arbeitgeberin die Klägerin der Arbeit verwiesen hat.

Auf ein Angebot der Arbeitskraft kommt es dabei nicht mehr an.

Auch ein wörtliches Angebot oder eine entsprechende Aufforderung, zur Nachholung der Mitwirkungshandlung ist nicht erforderlich, wenn der Arbeitgeber durch die Form der Kündigung dem Arbeitnehmer einen Widerspruch unzumutbar macht oder der Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung ernsthaft und endgültig verweigert, etwa bei einem Hausverbot (so bereits BAG vom 09.08.1984, NZA 1985 S. 119; Preis, in Erfurter Kommentar, 13. Auflage 2013, § 615 BGB Rn. 34 m.w.N.).

2.

Der Anspruch ist lediglich in Höhe der unstreitigen Erfüllung durch die „Beklagte in Höhe von 4.260,63 € netto nach § 362 BGB erloschen. Weitere Gründe, die der Forderung entgegenstehen würden, hat die Beklagte nicht vorgetragen, etwa dass die Klägerin ihrer Leistungspflicht nicht nachgekommen wäre, und deshalb der Anspruch für bestimmte Zeiträume nach §§ 611, 326, 275 BGB entfiele.

B.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.

Angesichts zwischenzeitlich eingeklagter Zahlungsansprüche in Höhe von insgesamt 12.684 € und mithin einem Gesamtstreitwert von 14.543,37 € und der erklärten Teilrücknahme der Klage bis auf einen Gesamtstreitwert von 10.503,37 € bei dann vollumfänglich erfolgreicher Klage war ein Verhältnis von 72 % Erfolg der Klägerin und mithin verbleibender Kostenlast nach § 269 Abs. 3 ZPO von 28 % für die Klägerin auszugehen und eine Quote in dieser Höhe zu bilden. Der.Streitwert war nach §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. 3 ff. ZPO im Urteil festzusetzen.

Gründe im Sinne von § 64 Abs. 3 ArbGG für die Zulassung der Berufung, die nach § 64 Abs. 2 Buchst. b, c ArbGG kraft Gesetzes zulässig ist, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

RECHTSMITTELBELEHRUNG

Gegen dieses Urteil kann von der beklagten Partei Berufung eingelegt werden.

Für die klagende Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.