Regelabfindung
Es geht um eine Abfindung in Höhe von mehr als 1.000 % der Regelabfindung nach einer Kündigungsschutzklage sowie um das Verhältnis zwischen Abfindung und sog. „Regelabfindung“.
Die Regelabfindung ist ein Kunstbegriff und umschreibt, dass nach einer arbeitsgerichtlichen Praxis und Üblichkeit für jedes Jahr der Betriebszugehörigkeit 0,5 Bruttomonatsgehälter als Abfindung gezahlt werden, wobei darauf kein Anspruch besteht sondern auf dieser Basis normale Kündigungsprozess verglichen werden sollen, wenn der Einzelfall nicht ein Abweichen nach unten oder oben von diesem Betrag der Regelabfindung gebietet. Der Arbeitnehmer im nachstehenden Fall wurde gemobbt. Dies sowie der Umstand, dass er 1000 % der Regelabfindung als Abfindung erhielt, machten diesen Fall zu einem besonderen Fall.
Abfindung in Höhe von mehr als 1.000 % der Regelabfindung Kündigungsschutzklage, Mobbing, Gehalt, Kündigung:
Vor dem Arbeitsgericht Detmold, Az. 2 Ca 1477/10, konnte ein Arbeitsrechtsstreit erledigt werden.
Der Kläger war im Vertrieb eines mittelständischen Unternehmens tätig und erzielte ein Bruttogehalt von monatlich 3.000,00 EURO brutto zzgl. Dienstwagen. Die Regelabfindung hätte im Falle einer Einigung 1.500,00 € pro Beschäftigungsjahr betragen.
Der Betrieb beschäftigt deutlich mehr als 10 Mitarbeiter.
Ein Betriebsrat existiert nicht.
Für den Kläger unerwartet wurde das Beschäftigungsverhältnis ordnungsgemäß aber ohne Begründung nach ca. 14-monatiger Betriebszugehörigkeit zum 30.11.2010 gekündigt. Der Dienstwagen musste zurückgegeben werden. Der Mandant wurde von der Arbeit freigestellt. Weihnachtsgeld wurde nicht mehr ausgezahlt. Eine Vergütung für den Pkw erfolgte nicht. Der Kläger erhob vor dem zuständigen Arbeitsgericht Detmold Kündigungsschutzklage innerhalb der 3-Wochen-Klagefrist. Es wurde die fehlende Sozialauswahl gerügt.
Der beklagte Arbeitgeber erwiderte nicht und äußerte, er hätte eine Abfindung von 1.000,00 EURO brutto gezahlt, was unter der Regelabfindung lag, wenn keine Kündigungsschutzklage erhoben worden wäre. Der Kläger wurde nach der Erhebung der Klage Hausverbot erteilt. Die Gehälter Dezember, Januar wurden ebenfalls eingeklagt. Der beklagte Arbeitgeber ließ sich fahrlässigerweise nicht anwaltlich vertreten und erschien persönlich im Gütetermin vor dem Arbeitsgericht. Die Fragen des Gerichts nach den Gründen der Kündigung konnte der beklagte Arbeitgeber nicht angemessen beantworten, wollte sich jedoch auch nicht mit dem Mandanten einigen.
Es wurden dann Kammertermin für April 2011 anberaumt.
Aufgrund der Ernüchterung im Gütetermin vor dem Arbeitsgericht ließ sich dann der beklagte Arbeitgeber doch noch von einem Rechtsanwalt beraten. Dieser riet ihm, die Kündigung zurückzunehmen und den Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen und ihn im neuen Jahr zur Aufnahme seiner Arbeit aufzufordern. Insoweit handelt es sich um ein nicht seltenes und häufig auch zum Erfolg führendes strategisches Verhalten.
Der Kläger ist dieser Aufforderung gleichwohl gefolgt und erschien für den beklagten Arbeitgeber überraschend pünktlich zum Arbeitsantritt nach den Weihnachtsferien 2010/2011. Der beklagte Arbeitgeber ging dann jedoch dazu über, den Kläger zu mobben, indem er ihn von seiner bisherigen Tätigkeit im Vertrieb fern hielt und ihm Schreib- und Programmierarbeiten übertrug, für die er nicht ausgebildet war und die er nach dem Arbeitsvertrag auch nicht schuldete.
Des Weiteren wurde ihm ein verdreckter kleiner Arbeitsraum anstatt seines ehemaligen Büros zugewiesen, indem alles verstaubt und war und tote Fliegen herumlagen. Ihm wurde darüber hinaus der Sozialkontakt zu dem Mitarbeitern einschließlich Begrüßung und Kaffeepause untersagt und ein -wie ein Kfz-Sachverständiger per Gutachten aus Dortmund feststellte- nicht verkehrstauglicher Pkw als Dienstwagen zur Verfügung gestellt. Die rückständigen Gehälter einschließlich Weihnachtsgeld wurden weiterhin nicht gezahlt, so dass der Kläger wegen aller vorgenannten und noch weiterer Punkte von seinem arbeitsrechtlichen Zurückbehaltungsrecht Gebrauch machte und nicht zur Arbeit erschien. Gleichzeitig wurden Schadensersatzansprüche wegen Mobbings geltend gemacht.
Daraufhin schaltete der beklagte Arbeitgeber wieder seinen Rechtsbeistand ein, der ihm dazu riet, wenn er den Kläger nicht ernsthaft weiter beschäftigen wolle, sich mit diesem vor dem Kammertermin und der in Aussicht gestellten Vollstreckung des Weiterbeschäftigungsanspruchs zu einigen.
Dieser einigte sich dann auf Zahlung aller rückständiger Gehälter bis einschließlich Januar 2011, die Zahlung des Weihnachtsgeldes sowie eine Abfindung von 15.300,00 EURO brutto, obwohl das Arbeitsverhältnis wenig mehr als 1 Jahr bestand und die Regelabfindung hier bei einem Jahr Beschäftigung ein Halbes Monatsgehalt, hier also 1.500,00 EURO, betragen hätte.
Damit hat der beklagte Arbeitgeber aufgrund seines fahrlässigen Verhaltens und seines Mobbings eine Situation herbeigeführt, die ihn im Nachhinein dazu veranlasste, zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine 1000 % höhere Abfindung zu bezahlen als die Regelabfindung an sich vorgesehen hätte sowie erhebliche Beträge nachzubezahlen.
Als Fazit können zwei Punkte festgehalten werden.
Es ist sowohl für den Arbeitnehmer als auch für den Arbeitgeber unerlässlich, vor dem Ausspruch der Kündigung (Arbeitgeber) und nach der Kündigung (Arbeitnehmer und Arbeitgeber) sich anwaltlich beraten zu lassen. Arbeitnehmer sollten Mobbing nicht dulden sondern ein derartiges Fehlverhalten des Arbeitgebers als Chance begreifen und sich sofort anwaltlich beraten lassen. Dem Arbeitgeber kann nur geraten werden, sich im Kündigungsschutzverfahren von Beginn an anwaltlich beraten zu lassen und jegliche Verhaltensweisen, die ihm als Mobbing oder Schikane ausgelegt werden können, zu vermeiden.
Der Vergleich lautet konkret wie folgt:
Arbeitsgericht Detmold
Beschluss
In dem Rechtsstreit
… Dortmund
‐ Kläger ‑
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Reissenberger, Ostenhellweg 53, 44135 Dortmund
g e g e n
Firma … GmbH & Co KG,
vertr. d. d. Komplementärin … mbH, diese vertr. d. d. Geschäftsf. …, …,
– Beklagte ‑
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …
wird festgestellt, dass zwischen den Parteien gemäß § 278 Abs. 6 ZPO folgender Vergleich zustande gekommen ist:
- Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund arbeitgeberseitiger Kündigung aus betrieblichen Gründen zum 31.01.2011 aufgelöst worden ist.
- Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Beklagte dem Kläger den gesamten ihm noch zustehenden Urlaub in natura gewährt hat.
- Für den Verlust des Arbeitsplatzes zahlt die Beklagte an den Kläger gem. §§ 9, 10 KSchG eine Abfindung in Höhe von 15.310,00€ brutto.
- Die Beklagte verpflichtet sich, an den Kläger Weihnachtsgeld für das Jahr 2010 in Höhe von 1.500,00 Euro brutto zu zahlen.
- Die Beklagte erteilt dem Kläger ein wohlwollendes, qualifiziertes Arbeitszeugnis.
- Mit der Erfüllung der vorgenannten Ansprüche sind alle gegenseitigen Ansprüche der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis, seien sie bekannt oder unbekannt, rechtshängig oder nicht, und der Rechtsstreit 2 Ca 1477/10 (Arbeitsgericht Detmold) erledigt.
Detmold, den 14.02.2011
Die Vorsitzende der 2. Kammer
gez. Bösing
Direktorin des Arbeitsgerichts