Aufhebung der Ehe, Beschluss Amtsgericht Menden

Aufhebung der Ehe wegen Täuschung der Ehefrau über die Motive der Eheschließung.

Das AG Menden beschloss die Aufhebung der Ehe in einem bemerkenswerten Fall.
Es kam zu einem seltenen Fall der Annullierung bzw. der Aufhebung der Ehe, die häufig von einem Ehegatten, meistens den Frauen, gewünscht wird, jedoch regelmäßig daran scheitert, dass die strengen Voraussetzungen der Aufhebung der Ehe nicht vorliegen. Hier liegen die Voraussetzungen für die Aufhebung der Ehe einmal vor und das Familiengericht hat dem Antrag nach intensiver Prüfung stattgegeben.
Beachten Sie bitte auch zum Thema Aufhebung der Ehe den Link Annullierung der Ehe auf diesen Seiten.
Die Aufhebung der Ehe erfolgt durch eine Entscheidung des Familiengerichts nach § 1313 BGB. Die wesentlichen rechtlichen Grundlagen zum Thema Aufhebung der Ehe ergeben sich aus den §§ 1314 ff BGB. Die Aufhebung der Ehe kann erfolgen, wenn
  1. ein Ehegatte sich bei der Eheschließung im Zustand der Bewusstlosigkeit oder vorübergehender Störung der Geistestätigkeit befand;
  2. ein Ehegatte bei der Eheschließung nicht gewusst hat, dass es sich um eine Eheschließung handelt;
  3. ein Ehegatte zur Eingehung der Ehe durch arglistige Täuschung über solche Umstände bestimmt worden ist, die ihn bei Kenntnis der Sachlage und bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe von der Eingehung der Ehe abgehalten hätten; dies gilt nicht, wenn die Täuschung Vermögensverhältnisse betrifft oder von einem Dritten ohne Wissen des anderen Ehegatten verübt worden ist;
  4. ein Ehegatte zur Eingehung der Ehe widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist;
  5. beide Ehegatten sich bei der Eheschließung darüber einig waren, dass sie keine Verpflichtung gemäß § 1353 Abs. 1 begründen wollen.

 

Beschluss des Amtsgerichts Menden vom 05.12.2013, 15 F 137/13, zur Aufhebung der Ehe:

 

 

Ausfertigung

15 F 137/13

Amtsgericht Menden (Sauerland)

Familiengericht

Beschluss

In der Familiensache

der Frau …..,……

Antragstellerin,

Verfahrensbevollmächtigter:  Rechtsanwalt Sven Reissenberger,  Ostenhellweg 53, 4435 Dortmund,

g e g e n

Herrn ……

Antragsgegner,

Verfahrensbevollmächtigte:                      Rechtsanwälte ……

hat das Amtsgericht -Familiengericht- Menden (Sauerland)

auf die mündliche Verhandlung vom 05.12.2013

durch den Richter am Amtsgericht Hennemann

beschlossen:

I.

Die am ……. vor dem Standesbeamten des Standesamtes Dortmund,       Heiratsregisternummer 789/2013 geschlossene Ehe der Beteiligten wird aufgehoben.

 

II.

Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

 

III.

Der Verfahrenswert wird auf ……. Euro festgesetzt.

 

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Aufhebung der Ehe sowie hilfsweise Scheidung der Ehe.

 

Die Antragstellerin weist einen türkischen Migrationshintergrund auf und hat die deutsche Staatsangehörigkeit, der Antragsgegner ist iranischer Staatsangehöriger.

Die Eheleute lernten sich 2011 kennen und heiraten am ……..

Die Antragstellerin begehrt nunmehr die Aufhebung der Ehe, hilfsweise die Scheidung der Ehe.

Sie behauptet, der Antragsgegner habe sie zur Erlangung eines Aufenthaltstitels geehlicht und trägt hierzu vor, diese Motivlage habe er ihr Zuge eines Ehestreits eingestanden.

Die Antragstellerin beantragt,

wie erkannt.

Der Antragsgegner beantragt,

die Anträge der Antragsstellerin zurückzuweisen.

Er bestreitet die Täuschung.

Das Gericht hat die Beteiligten persönlich angehört. Hinsichtlich der Einzelhheiten wird auf die Niederschrift des Sitzungprotokolls vom ….. verwiesen.

 

II.

Die Ehe war gem. §§ 1313 Satz 1, 1314 Absatz 2 Nr. 3 BGB aufzuheben.

Nach § 1314 Absatz 2 Nr. 3 BGB kann eine Ehe aufgehoben werden, wenn ein Ehegatte zur Eingehung der Ehe durch arglistige Täuschung über solche Umstände bestimmt worden ist, die ihn bei Kenntnis der Sachlage und richtiger Würdigung des Wesens der Ehe von der Eingehung der Ehe abgehalten hätte.

Die  Antragstellerin ist vom Antragsgegner getäuscht worden. Eine Täuschung ist das Hervorrufens eines Irrtums, was auch die Unterdrückung wahrer Tatsachen umfasst. Nach dem Ergebnis der persönlichen Anhörung der Eheleute ist das Gericht davon überzeugt, dass die Erlangung eines Aufenthaltstitels für den Antragsgegner mitentscheident für die Eingehung der Ehe war und er diesen zu offenbarenden wesentlichen Aspekt der Antragstellerin nicht offengelegt hat.

Dabei stützt sich das Gericht zunächst auf die Anhörung der Antragstellerin, die glaubhaft und glaubwürdig erklärte, sie habe bereits vor der Eheschließung Ablehnung durch die Schwiegereltern gespürt, was der Antragsgegner zunächst verleugnete, jedoch nach der Eheschließung im Zuge eines Ehestreits einräumte.

Dabei habe der Antragsgegner auch erklärt, dass er entsprechend den Vorgaben seiner Eltern die Antragstellerin als „Notlösung“ für seinen problematischen ausländerrechtlichen Status geheiratet habe.

Das Gericht hat keine Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Bekundung der Antragstellerin. Diese schilderte den Streit zwar nachvollziehbar mit emotionalen Anklang, jedoch in der Grundtendenz sachlich und mit Details versehen. Auf Nachfragen konnte der Ablauf präzisiert werden und wurde Unkenntnis wie auch möglicher Nachteiliges, wie der Besuch bei der Ausländerbehörde ohne weiteres eingeräumt.

Die Antragstellerin erschien auch glaubwürdig, insbesondere wurden weder in Mimik, noch Gestik unplausibles oder unstimmiges Verhalten ersichtlich. Zudem erschien der gesamte Vortrag, auch die Vorhalte an die Gegenseite zwar nachvollziehbar durchaus emotional, aber nicht tendenziös.

Im weiteren stützt das Gericht seine Überzeugung auf die Anhörung des Antragsgegners, der einen widersprüchlichen Eindruck hinterließ.

Der Antragsgegner stellte den Aspekt des Aufenthaltstitels als Nebenaspekt dar, im Vordergrund habe eine Liebesheirat gestanden, und verwies darauf, dass die Antragstellerin ja auch um seine Probleme mit der Ausländerbehörde gewusst habe.

Im fraglichen Streit habe er zwischen der Auffassung der Eltern und seiner Auffassung differenziert.

Das Gericht hat zunächst durchaus Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Darstellung des Antragsgegners. Dabei stellt das Gericht mit ein, dass der auslösende Streit im Ausgangspunkt „Fremdgehen“ betraf, jedoch trotz dieses stark emotionalen Aspekts bei der Schilderung der Antragstellerin sich nahezu ausschließlich der andere Aspekt des „Aufenthaltstitels“ derart in den Vordergrund drängte, dass davon auszugehen ist, dass dieses ein überlagernder emotionaler Aspekt des Streits war und ist. Es erscheint kaum nachvollziehbar, dass dies der Fall wäre, wenn der Antragsgegner wie von ihm vorgetragen tatsächlich im Streit zwischen ihm und seinen Eltern differenziert habe. Auch ist miteinzustellen, dass die Schilderung des Streits beim Antragsgegner trotz Nachfragen eher blass blieb und nicht mit Details versehen werden konnte.

Auch verbleiben infolge der vorwerfenden Verteidigung (… kannte auch … ausländerrechtliche Probleme …) Zweifel an der dargelegten Differenzierung. Der Antragsgegner räumte bei dem Streit offenkundig erstmalig ein, dass seine Eltern ethnische Vorbehalte gegen die Antragstellerin haben und hatte dies zugestandenermaßen zuvor verleugnet. Abgesehen davon, dass es angesichts der angeblichen Differenzierung zwischen elterlicher Auffassung und eigener Auffassung hierfür keinen nachvollziehbaren Grund gab, verblieb in der Anhörung ein anderer Eindruck, nämlich dergestalt, dass der Antragsgegner noch sehr mit dem Familiengefüge verwoben war und ist und sich mithin kaum wie dargestellt von seinen Eltern deutlich abgrenzt.

Schließlich ist vorliegend mit einzustellen, dass ungeachtet des tatsächlichen ausländerrechtlichen Status des Antragsgegners dieser offenkundig Ausweisungsmaßnahmen befürchtet und mithin amAusgang des Prozesses ein evidentes Interesse hat.

Es ist mithin davon auszugehen, dass sich die Antragstellerin bei der Eheschließung täuschungsbedingt in einem Irrtum über zumindest Teile der Motivlage des Antragsgegners befand.

Da die Täuschung nicht die alleinige Ursache für die Eheschließung gewesen sein muss (vgl. Palandt, BGB, § 1314 Rn. 12) und die die möglichen ausländerrechtlichen Gesichtspunkte nicht wahrnehmende Fahrlässigkeit der Antragstellerin nicht hindert (vgl. Palandt, BGB, § 1314 Rn. 9), ist bei sachgerechter objektivierter Würdigung davon auszugehen, dass die Antragstellerin bei Kenntnis aller Umstände die Ehe nicht eingegangen wäre.

In der Rechtsfolge war die Ehe aufzuheben.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Hennemann

Ausgefertigt

Thiele,

Justizbeschäftigte