You are currently viewing Zwei Geschwindigkeitsverstoesse, Beschluss OLG Hamm
Verkehrsrecht, Bußgeld, Ladungssicherheit, Fahrverbot, Verjährung, Geschwindigkeitsverstoss, Amtspflichtverletzung, Verkehrssicherungspflicht, Fahrerlaubnisentzug, Neuwagen, Gutachterkosten, Abstandsmessung und Sicherheitsabstand, Brauchbarkeit des Gutachtens, Geschwindigkeitsüberschreitung, halbe Vorfahrt, Belohnung, Wenden, Wiedereinsetzung, Versicherungsabsprachen, Fahrzeugfuehrereigenschaft, Rotlichtverstoss, Falschabbiegen, Aufhebung eines Fahrverbots, Messfehler wegen Schrägfahrt, Zwei Geschwindigkeitsverstoesse, Nutzungsausfallentschaedigung, Nutzungsausfall, Restwert, Bagatellgrenze, kein Bagatellschaden, Punkte, Sachverständigenkosten, Nachfahren, Fuehrerschein, Verbringungskosten, Fiktive Abrechnung, Schadensersatz wegen Brandlegung, Entziehung der Fahrerlaubnis, Entzug der Fahrerlaubnis, scheckheftgepflegt, Gebrauchtwagenkauf, Verkehrsunfall mit Fahrerflucht, Fahrereigenschaft fehlerhaft, Rückwärtsfahren, Geräusche als Mangel, Nach-Rechts-Ziehen als Mangel, Messfehler wegen Schraegfahrt, Nachfahren Autobahn, Eichfehler

Zwei Geschwindigkeitsverstoesse, Beschluss OLG Hamm

Zwei Geschwindigkeitsverstoesse binnen eines Jahres:

Zwei Geschwindigkeitsverstoesse führen nach § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV Regelmäßig zu einem Fahrverbot. Im Gesetz heißt es:

„Ein Fahrverbot kommt in der Regel in Betracht, wenn gegen den Führer eines Kraftfahrzeugs wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h bereits eine Geldbuße rechtskräftig festgesetzt worden ist und er innerhalb eines Jahres seit Rechtskraft der Entscheidung eine weitere Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h begeht.“

Diese Vorschrift wird vielen Pkw-Fahrern zum Verhängnis, weil sie nicht realisieren, dass lediglich zwei Geschwindigkeitsverstoesse binnen eines Jahres, die für sich gesehen lediglich relativ harmlos sind und jeweils nur mit einem Punkt geahndet werden, in ihrer Zusammenwirkung jedoch zu einem Fahrverbot führen. Liegen zwei Geschwindigkeitsverstoesse vor, kann, wie die nachstehenden Entscheidungen zeigen, gleichwohl mit Hilfe eines Fachanwaltes die Aufhebung des Fahrverbots erreicht werden.

 

Verwertungsverbot:

Aufgrund der Verfahrenslänge und der zwischenzeitlich erfolgreich eingelegten Rechtsbeschwerde verging soviel Zeit, dass der frühere Geschwindigkeitsverstoß nicht mehr hätte verwertet werden dürfen.

 

Der 1. Beschluss des OLG Hamm:

Hier finden Sie den ersten Beschluss des OLG Hamm in derselben Sache, in der RA Reissenberger eine erfolgreiche Rechtsbeschwerde eingelegt hatte.

 

Der 2. Beschluss des OLG Hamm:

 

OBERLANDESGERICHT HAMM

BESCHLUSS

III-2 RBS 68/15 OLG Hamm
6 Ss OWi 442/15 GStA Hamm
90 OWi ‐ 262 Js-OWi 799/13 ‐ 402/13 ‐ – AG Hagen Bußgeldsache
g e g e n

… ,
geb. … in Witten,
wohnhaft … Herdecke,
Verteidiger: Rechtsanwalt Sven Reissenberger in Dortmund,
w e g e n

Verkehrsordnungswidrigkeit.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 09.02.2015 gegen das Urteil des Amtsgerichts Hagen vom 06.02.2015 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 08.06.2015 durch den Richter am … als Einzelrichter gem. § 80 a Abs. 1 OWiG nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft sowie des Betroffenen bzw. seines Verteidigers
b e s c h l o s s e n :

 

Zwei Geschwindigkeitsverstoesse binnen eines Jahres – der Tenor/Aufhebung des Fahrverbots:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit der Maßgabe aufgehoben, dass gegen den Betroffenen eine Geldbuße in Höhe von 80,00 € festgesetzt wird. Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen. Der Betroffene trägt die Kosten seines Rechtsmittels; jedoch wird die gerichtliche Gebühr im Rechtsbeschwerdeverfahren um zwei Drittel ermäßigt; zwei Drittel der gerichtlichen Auslagen und der notwendigen Auslagen des Betroffenen im Rechtsbeschwerdeverfahren werden der Staatskasse auferlegt.

 

Zwei Geschwindigkeitsverstoesse binnen eines Jahres – der Tatbestand:

Gründe:
Das Amtsgericht Hagen hatte den Betroffenen mit Urteil vom 12.11.2013 wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 104,00 € verurteilt und gegen ihn ein einmonatiges Fahrverbot unter Gewährung eines viermonatigen Vollstreckungsaufschubs verhängt. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat der Senat dieses Urteil mit Beschluss vom 07.02.2014 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Hagen zurückverwiesen. Mit dem angefochtenen Urteil vom 06.02.2015 hat das Amtsgericht Hagen den Betroffenen erneut wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften zu einer Geldbuße von 104,00 € verurteilt sowie ‐ unter Gewährung eines viermonatigen Vollstreckungsaufschubs gemäß § 25 Abs. 2 a StVG ‐ ein einmonatiges Fahrverbot verhängt, da der Betroffene innerhalb eines Jahres zweimal die zulässige Geschwindigkeit um 26 km/h überschritten habe. Nach den getroffenen Feststellungen befuhr der Betroffene am 19.01.2013 die Saarlandstraße in Hagen innerhalb geschlossener Ortschaft. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit war auf 60 km/h begrenzt. Die gemessene Geschwindigkeit des Betroffenen betrug 90 km/h; nach Abzug der Toleranz wurde die zulässige Höchstgeschwindigkeit damit um 27 km/h überschritten. Gegen dieses in Anwesenheit des Betroffenen und seines Verteidigers verkündete, am 13.03.2015 zugestellte Urteil wendet sich der Betroffene mit seiner am 10.02.2015 bei dem Amtsgericht Hagen eingegangenen Rechtsbeschwerde vom 09.02.2015, die er mit am 13.04.2015 bei dem Amtsgericht Hagen eingegangenen Schriftsatz seines Verteidigers vom selben Tage mit der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet hat. Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat mit Zuschrift vom 15.05.2015 beantragt, die Rechtsbeschwerde ‐ unter Berichtigung des Urteilstenors mit Blick auf den gewährten Vollstreckungsaufschub ‐ als unbegründet zu verwerfen. Der Betroffene hat mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 27.05.2015 Stellung genommen. Die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG statthafte, rechtzeitig eingelegte und form‐ und fristgerecht begründete Rechtsbeschwerde hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.

 

 

Zwei Geschwindigkeitsverstoesse binnen eines Jahres – die Entscheidungsgründe:

1.

Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet, soweit sie sich gegen den Schuldspruch wendet. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Beschwerderechtfertigung hat insoweit keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben.

 

 

Zwei Geschwindigkeitsverstoesse binnen eines Jahres – zum Rechtsfolgenausspruch:

2.

Der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils begegnet jedoch durchgreifenden rechtlichen Bedenken, soweit darin auf eine Geldbuße von mehr als 80,00 € erkannt und ein Fahrverbot angeordnet wurde.

 

Die rechtlichen Erwägungen:

a)

Das Amtsgericht stützt die Erhöhung des Regelsatzes von 80,00 € gemäß Tabelle 1 Nr. 11.3.5 der BKatV (a.F.) auf 104,00 € auf eine Voreintragung des Betroffenen aus dem Jahre 2012. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts wurde gegen den Betroffene am 20.09.2012 ein Bußgeld in Höhe von 80,00 € wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften verhängt. Der Betroffene überschritt damals die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 29 km/h. Die Entscheidung wurde am 09.10.2012 rechtskräftig. Diese Entscheidung durfte das Amtsgericht bei seiner erst am 06.02.2015 getroffene Entscheidung jedoch nicht mehr zum Nachteil des Betroffenen berücksichtigen, da insoweit Tilgungsreife eingetreten war.

Die Tilgungsfrist bei Entscheidungen wegen Ordnungswidrigkeiten beträgt gemäß § 65 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 StVG i. V. m. § 29 Abs. 1 Nr. 1 StVG a. F. zwei Jahre. Sie beginnt mit Rechtskraft der Entscheidung (§ 29 Abs. 4 Nr. 3 StVG a. F.), hier also am 09.10.2012. Eine Ablaufhemmung gemäß § 29 Abs. 6 S. 2 StVG a. F. durch die Begehung der verfahrensgegenständlichen Tat am 19.01.2013 ist nicht eingetreten. Dabei kann dahinstehen, ob Voreintragungen auch dann einem Verwertungsverbot unterfallen, wenn ein neuer Verstoß vor Ablauf der Tilgungsfrist der Voreintragung gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 6 StVG a. F. begangen wird, die neue Verurteilung aber erst innerhalb der sich anschließenden einjährigen Überliegefrist (§ 29 Abs. 7 StVG a. F.) erfolgt vgl. hierzu OLG Frankfurt, NStZ-RR 2009, 255; OLG Hamm, Beschluss vom 22.12.2009, 3 Ss OWi 844/08, juris). Gemäß § 65 Abs. 3 Nr. 2 S. 2 StVG kann eine Ablaufhemmung nach § 29 Abs. 6 S. 2 StVG a. F. jedenfalls nicht durch Entscheidungen ausgelöst werden, die erst ab dem 01.05.2014 im Fahreignungsregister gespeichert werden. Ein solcher Fall ist mit Blick das angefochtene Urteil vom 06.02.2015 hier gegeben. Tilgungsreife ist demnach am 09.10.2014 eingetreten, mit der Folge, dass die frühere bußgeldrechtliche Verurteilung ‐ maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen eines Verwertungsverbots wegen Tilgungsreife bei der Aburteilung einer neuen Tat ist nicht der Tattag, sondern der Tag des Erlasses des letzten tatrichterlichen Urteils (OLG Hamm, aaO.; Hentschel /König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., § 29 StVG Rn. 38 m. w. N.) ‐ vom Amtsgericht bei der Bemessung der Geldbuße nicht mehr zum Nachteil des Betroffenen berücksichtigt werden durfte.

 

Zwei Geschwindigkeitsverstoesse binnen eines Jahres – die Schlussfolgerung des OLG Hamm:

b)

Aus den genannten Gründen durfte das Amtsgericht den der Vorverurteilung vom 20.09.2012 zugrunde liegenden Verkehrsverstoß auch nicht mehr zur Begründung eines Fahrverbotes nach § 25 Abs. 1 StVG i. V. m. § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV heranziehen.

 

Zwei Geschwindigkeitsverstoesse binnen eines Jahres – eigene Entscheidung des OLG Hamm:

3.

Der Senat konnte in der Sache gemäß § 79 Abs. 6 OWiG selbst entscheiden, da die Feststellungen des angefochtenen Urteils eine eigene Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Rechtsfolgenseite ermöglichen. Für den begangenen Verkehrsverstoß kommt nur die Festsetzung des Regelsatzes gemäß Tabelle 1 Nr.- 11.3.5 der BKatV (a. F.) in Höhe von 80,00 € in Betracht. Die Voreintragung, die sich bußgelderhöhend auswirken könnte, kann nicht berücksichtigt werden. Sonstige Umstände, die Anlass zu einer Abweichung vom Regelsatz geben könnten, sind nicht ersichtlich. (Verwertbare) Gründe für die Anordnung eines Fahrverbotes liegen nicht vor.

 

4.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 4 StPO i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG.

Neben diesem Thema der zwei Geschwindigkeitsverstösse befinden sich noch weitere Entscheidungen zu einem Rotlichtverstoß und den Messgeräten Traffipax, Poliscanspeed und Multanova oder wegen einer Eichverletzung hier.